Der Münchner Klimaherbst 2024
Arbeit, Wirtschaft & Finanzen im Kontext der Klimakrise.
Die Veranstaltungsreihe Münchner Klimaherbst lief vom 8. Oktober bis 3. November 2024. Unter dem Titel »Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt…?« ging es in diesem Jahr um Arbeit, Wirtschaft und Finanzen im Kontext der Klimakrise. Warum und wie trägt unser aktuelles Wirtschaftssystem zur Klimakrise bei? Was bedeutet die Erderhitzung für unsere Arbeitsbedingungen? Wieso sind Banken wichtig bei der Bekämpfung der Klimakrise? Im gesamten Stadtgebiet fanden zu diesen und weiteren Fragen zahlreiche Vorträge, Filme, Exkursionen, Diskussionen und vieles mehr statt. Im folgenden geben wir euch eine inhaltliche Einführung in das diesjährige Thema.
It’s the economy, stupid – oder: Warum es kein richtiges Wirtschaften im Falschen gibt
Die Art und Weise, wie wir zusammenleben, ist geprägt von unserem Wirtschafts- und Finanzsystem. Davon, wie wir arbeiten, was und wie viel. Davon, welche Produkte wir konsumieren, welche Dienstleistungen und Angebote wir in Anspruch nehmen können. Davon, für was wie viel Geld zur Verfügung steht und was man überhaupt mit Geld kaufen kann. In den letzten Jahrhunderten haben wir als Menschheit einen globalen Kapitalismus geschaffen, der unser aller Leben prägt und dadurch direkt oder indirekt auch die Probleme mitverursacht, mit denen wir uns heute in der Welt konfrontiert sehen – eines davon ist die Klimakrise.
Doch von vorne: Wir haben eine Welt geschaffen, in der zumindest in den reichen Ländern des globalen Nordens, wie beispielsweise Deutschland, nahezu alle vorstellbaren Produkte überall und immer verfügbar sind. Niemand muss hungern und die meisten Menschen können frei entscheiden, welchen Beruf sie ausüben möchten. Doch diese Freiheit hat einen hohen Preis: den massiven Ausstoß von Treibhausgasen, der unsere Umwelt zerstört und die Klimakrise verursacht.
Die Produktion von Waren und die Bereitstellung von Dienstleistungen verbraucht Energie, meist aus fossilen Brennstoffen, und verursacht Treibhausgase, indem Produkte entwickelt, produziert und weltweit vertrieben werden. Indem Menschen zur Arbeit und Einkaufsorten fahren und wenn die Produkte letztlich wieder entsorgt und verbrannt werden. All das, was wir unter wirtschaftlichen Tätigkeiten verstehen, ist also Kernproblem und Hauptverursacher der Klimakrise. Die wahren Kosten dieser Tätigkeiten – Umweltzerstörung und Ausbeutung – spiegeln sich jedoch nicht in den Produktpreisen wider. Man spricht hier von Externalisierung.
Doch warum gelingt es uns nicht, weniger zu konsumieren und Produkte klimafreundlich herzustellen und zu transportieren? Das Wohlergehen aller Menschen und Lebewesen sowie der Natur sind keine Kriterien, nach denen unser Wirtschafts- und Finanzsystem funktioniert. Stattdessen sind Wachstum und das Bruttoinlandsprodukt die Indikatoren, an denen sich „erfolgreiches Wirtschaften“ orientiert. Und hier kommt die Frage ins Spiel, welche Rolle eigentlich Geld spielt und wie es verteilt wird.
Das liebe Geld
Wir haben Geld – in seiner realen, aber auch in seiner virtuellen Form – zum allgemein gültigen Tauschmittel ernannt. Wir haben uns darauf geeinigt, dass man mit Geld fast alles kaufen kann und dass man im Umkehrschluss auch für fast alles Geld benötigt – auch zur Erfüllung von Grundbedürfnissen wie Wohnen und Essen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass bestimmte Tätigkeiten mit Geld entlohnt werden, wobei manche davon deutlich lukrativer sind als andere. Wir haben Institutionen geschaffen, die unser so verdientes oder ererbtes Geld verwalten – Banken, Versicherungen und andere Finanzinstitute – und es dann mithilfe von Krediten an Dritte weitergeben, die damit wieder Neues produzieren und bezahlte Angebote für uns schaffen.
Welche Produkte hergestellt und welche Dienstleistungen angeboten werden, hängt auch davon ab, was Menschen glauben, womit sich gut Geld verdienen lässt: Am attraktivsten sind die wirtschaftlichen Aktivitäten, die am meisten Profit versprechen. In unserer Gesellschaft sind das oft (hoch) technische Produkte und Konsumgüter. Dementsprechend sind auch die Berufe, die mit diesen Produkten assoziiert sind, sehr gut entlohnt und attraktiv. Auf internationaler Ebene gesehen sind die Länder am reichsten und damit am erfolgreichsten, die hoch technische Produkte herstellen und verkaufen. Daraus folgt wiederum, dass auch Geldgeber:innen am liebsten in diese Bereiche und Produktsparten investieren. Das große Problem bei der Sache: Genau dieses hochlukrative High-Tech-Geschäft ist mit einem immensen Energie- und Ressourcenverbrauch verbunden.
Und da unser globales Wirtschafts- und Finanzsystem auf Wachstum ausgerichtet ist – wir also Erfolg darüber definieren, dass wir mit immer mehr Produkten und Dienstleistungen immer mehr Geld erwirtschaften – und da wir auch Wirtschaftspolitik danach beurteilen, ob sie dieses Wachstumsziel erreicht, ist unser System im Grunde darauf angelegt, dass wir immer mehr Ressourcen verbrauchen und Treibhausgase ausstoßen. Wo sind Ansatzpunkte, um aus dieser sich selbst verstärkenden, zerstörerischen Dynamik auszusteigen?.
Ausweg grünes Wachstum?
Eine Idee ist es, auf grünes Wachstum – „Green Growth“ – zu setzen. Das Konzept dahinter lässt sich wie folgt zusammenfassen: Im Prinzip machen wir mit allem so weiter wie bisher, aber ohne dabei Treibhausgase auszustoßen und optimalerweise auch mit geringerem Ressourcenverbrauch. Dies soll durch erneuerbare Energien und technologischen Fortschritt gelingen. Unvermeidbare Emissionen sollen durch Aufforstung oder Speicherung kompensiert werden.
Doch ist „Green Growth”– ein Wirtschaften ohne Treibhausgasausstoß, Umweltzerstörung und Ausbeutung – in einer Welt möglich, in der unser Ressourcen- und Energiehunger stetig ansteigt? Oder ist es doch nur eine allzu schöne Illusion, dass unser aktuelles Wirtschaftssystem mit der Schonung unserer Ressourcen und Umwelt kompatibel sein kann, wenn wir nur schnell genug den nötigen technologischen Fortschritt erzielen? Müssen wir nicht vielleicht eher darüber nachdenken, wie eine Welt aussehen kann, in der (Wirtschafts-)Wachstum nicht mehr das „non-plus-ultra“ ist? In der Tätigkeiten als wertvoller erachtet werden, die den Erhalt und das Wohlergehen unserer Um- und Mitwelt sichern, als solche, die zur Zerstörung unseres Planeten beitragen?
Finanzströme umlenken, Klima retten?
Langfristig gesehen, lautet die Antwort wahrscheinlich, dass ein Systemwechsel unabdingbar ist, wenn wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten wollen. Gleichzeitig ist es kurzfristig enorm wichtig im aktuellen System das Maximale für Klimaschutz rauszuholen, denn wir haben schon so viele Treibhausgase ausgestoßen, dass die Erderhitzung schon jetzt spürbare Folgen hat. Dies könnten wir erreichen, indem wir schädliche Wirtschaftsaktivitäten durch Regeln und Verbote eindämmen, zum Beispiel indem wir den Verbrennermotor verbieten. Falls wir uns politisch nicht auf solche Lösungen einigen können, könnten wir dies auch über unser Finanzsystem lösen.
Solange Geld immer noch dahin fließt, wo fossile Brennstoffe aus der Erde geholt und verbrannt werden, wird dies auch weiterhin geschehen. Solange es profitabel ist, unsere Natur und Mitmenschen auszubeuten, unsere Umwelt zu verschmutzen und Treibhausgase auszustoßen, wird auch weiterhin in Unternehmen investiert werden, die dies tun. Um diesen Mechanismus zu durchbrechen, gilt: „Grüne“ Investitionen müssen sich mehr lohnen als andere. In einer Welt, in der immer mehr Menschen die Wichtigkeit einer intakten Umwelt und des Erhalts unserer Lebensgrundlagen erkennen, können Transparenzregeln dazu beitragen, dass in die „richtigen“ Unternehmen investiert wird, weil nachhaltige Produkte immer lohnenswerter werden. Auch staatliche Förderung von grünen Investitionen kann diese sicherer und profitabler machen. In selbem Maße müssen Subventionen und Förderungen für Fossile abgebaut werden. Eine weitere Möglichkeit ist es, Kriterien vorzugeben, nach denen investiert werden darf und dadurch schädliche Wirtschaftsaktivitäten einzuschränken.
Wirtschaft vor Klima oder Wirtschaft für Klima?
Wie jedoch ein Wirtschaftssystem aussehen kann, das unsere planetaren Grenzen berücksichtigt und das Wohlergehen von Mensch und Natur an erste Stelle stellt, werden wir noch gemeinsam herausfinden müssen. Es gibt schon viele Menschen, die über diese Fragen nachdenken oder sogar schon versuchen, anders zu wirtschaften, zum Beispiel in Genossenschaften oder gemeinnützigen Unternehmen. Wir sollten uns diese Ideen und Versuche genauer anschauen, denn wenn es „kein richtiges Wirtschaften im Falschen“ (System) gibt, dann reicht es nicht, unser individuelles Handeln anzupassen – dann müssen wir das System ändern.