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Der Münchner Klimaherbst findet 2015 bereits zum neunten Mal statt. Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist es, jeweils im Herbst eines Jahres über einen Zeitraum von gut zwei Wochen möglichst viele Bürgerinnen und Bürger Münchens, Jung wie Alt, für das Thema „Klimawandel und Klimaschutz“ zu sensibilisieren.

Initiiert im Jahr 2007 von einem Team der Münchner Volkshochschule hat sich der Münchner Klimaherbst zu einer der wichtigsten und am meisten beachteten Veranstaltungsplattformen für Nachhaltigkeitsthemen in München entwickelt. Er wird getragen von einem umfangreichen Netzwerk an Initiativen und Vereinen, Bildungseinrichtungen, Stiftungen und auch einigen Unternehmen sowie gefördert u.a. vom Referat für Umwelt und Gesundheit der Landeshauptstadt München.

„Politik. Macht. Klima. – und wir?“, so lautet das Motto des diesjährigen Klimaherbstes.

 

Konzept Münchner Klimaherbst 2015

„Klimawandel – Klimapolitik – Klimaökonomie“

1988 fand in Toronto die erste Weltklimakonferenz statt. D.h., seit rund 30 Jahren gibt es ein Bewußtsein darüber, dass sich das Weltklima aufheizt. Seit dieser Zeit steht das „global warming“ und die notwendige Eindämmung des „Treibhauseffekts“ auf der Agenda der Weltgemeinschaft. Seither folgten die Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro mit weitreichenden Beschlussfassungen von immerhin 170 Staaten zur Klimarahmenkonvention und zur Agenda 21, es folgten Rio +10 in Johannesburg und Rio +20 erneut in Brasilien. Mit dem Kyoto-Protokoll von 1997 wurden erstmals bescheidene, aber immerhin verbindliche Reduktionsziele für Treibhausgase vereinbart. Allerdings trat das Abkommen erst 2005 in Kraft. Solange dauerte es, bis das Quorum von 55 Unterzeichnerstaaten erreicht wurde. Es folgten weitere Klimakonferenzen mit 10.000enden Beteiligten in Bali, Kopenhagen, Cancun, Doha, Lima und vielfältige Zwischenkonferenzen. Die Ergebnisse waren unterschiedlich in ihrer Verbindlichkeit (So wurde in Bali ein Ausgleichsfonds für „Entwicklungsländer“ beschlossen, die auf Raubbau am Regenwald verzichten. In Doha wurde die Fortführung des Kyoto-Protokolls bis 2020 vereinbart), insgesamt aber enttäuschend hinsichtlich ihrer Entschlossenheit und Wirksamkeit. Nun ruhen hohe Erwartungen auf der 21. UN-Klimakonferenz (vom 30.11. bis 11.12.2015)in Paris, von der viele entweder einen Durchbruch in Richtung einer verbindlichen Folgevereinbarung zum Kyoto-Protokoll oder aber das endgültige Scheitern der internationalen Klima-Diplomatie erwarten.

Begleitet wurde die internationale Klimadiplomatie mit besorgniserregenden wissenschaftlichen Berichten beispielsweise des International Panel on Climate Change (IPCC), der ebenfalls 1988 vom UN-Programm für Umwelt und Entwicklung eingesetzt wurde und seither systematisch Nachweise der fortschreitenden globalen Erwärmung und ihrer Auswirkungen zusammenträgt. 2007 wurde der IPCC zusammen mit Al Gore wegen der Aufklärungsarbeit in Sachen Klimaschutz mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Mindestens ebenso stark wie die Wertschätzung war aber seit jeher auch die Ablehnung und Diskreditierung des IPCC als ideologisch geprägte Polit-Inszenierung durch Klimaskeptiker und Industrielobbyisten.

Auch auf EU-, nationaler und lokaler Ebene hat das Thema Klimaschutz in den letzten 20 Jahren immens an Bedeutung gewonnen. Auf all diesen Ebenen wurden ambitionierte Programme und Ziele vereinbart: so soll zur Erreichung der 2°C-Zieles in der EU der CO²-Ausstoß bis 2030 (auf der Basis von 1990) um 40% gesenkt werden, der Anteil an Erneuerbaren Energien soll auf mindestens 27% steigen. Deutschland nimmt mit seiner nationalen Klimaschutzstrategie für sich selbst eine Vorreiterrolle in Anspruch, verfolgt es doch noch ambitioniertere Ziele als die EU und will – auch dank der Energiewende – die Treibhausgasemissionen bereits bis 2020 um 40% senken.

Auch in München steht das Thema Klimaschutz seit Jahren weit oben auf der Agenda: München hat sich als Bestandeil des Stadtentwicklungsplans Perspektive München eine Leitlinie Klimaschutz verordnet. Ein Integriertes Handlungskonzept versucht den Klimaschutz zum Gegenstand des alltäglichen Verwaltungshandelns zu machen, München ist Gründungsmitglied des Klima-Bündnis der europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder / Allianza del Clima und versuchte, mit einem Bündnis für den Klimaschutz, die Thematik in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen zuverankern. Auch die SWM verfolgen mit Ihrem Anspruch, bis 2020 alle Münchner Haushalte und Gewerbebetriebe mit regenerativer Energie versorgen zu können ehrgeizige Ziele, die dem Klimaschutz dienen.

Schließlich unterstützt(e) die Stadt mit der Lokalen Agenda 21 (seit 1995) und dem Münchner Klimaherbst (seit 2007) bürgerschaftliche Projekte, die sich einen nachhaltigen Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben haben.

Alles gut also?
Mitnichten!

Trotz der richtigen Schlußfolgerungen und ambitionierter Programme wurden auf allen Ebenen die meisten Klimaschutzziele verfehlt:
2014 wurden weltweit glatte 60% mehr Treibhausgase emittiert als im Referenzjahr 1990. Sollte das –ohnehin willkürlich gesetzte – 2°C-Ziel erreicht werden, müßten die Emissionen jährlich um 8-10% sinken. Bleibt alles wie es ist, werden wir am Ende des Jahrhunderts eine Temperaturzunahme um 4°C erreicht haben.

Was dies für die Entwicklung der Welt bedeutet, ist schon heute in aller Dramatik wahrnehmbar: Die 15 wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen fielen -bis auf eine Ausnahme- alle in das 21. Jahrhundert.
Extreme Hitzewellen und Dürren, Verlust von Biodiversität, Anstieg der Meeresspiegel, Abschmelzen der Polkappen, dramatischer Anstieg von Extremwetterlagen wie Sturmtiefs, Starkregen und Hagelschlag mitsamt Erdrutschen, Unterspülungen etc. Weltweit sind von all diesen Erscheinungen v.a. die ärmsten und ungesichertsten besonders betroffen, die sich gezwungen sehen, sich zu Millionen auf die Suche nach besseren Lebensbedingungen zu machen.
Angesicht des dramatischen Tempos der klimatischen Veränderungen, vollziehen sich die politischen Anpassungsprozesse in aufreizender Langsamkeit.
Während in den letzten 25 Jahren ein ganzes Gesellschaftsmodell und der darauf basierende globalpolitische Machtblock davongefegt wurde, während die Sowjetunion sich auflöste und Russland vom Feind zum Partner und mittlerweile wieder zum Gegner wurde, während die Wirtschaftswelt eine Internet- und eine Immobilienblase, eine globale Finanzkrise, eine Euro- und Staatsschuldenkrise erlebte und dank milliardenschwerer Hilfsprogramme bisher auch überlebte, fehlt in der Klimapolitik nach wie vor der Wille oder die Fähigkeit, sie als die gemeinsame globale Herausforderung wahrzunehmen, der wohl nur mit der Bereitschaft zu begegnen ist, auch viele Gewissheiten über den eigenen bisherigen Lebensstil grundsätzlich in Frage zu stellen.

Immer noch sind z.B. weite Teile der US-amerikanischen Politik davon überzeugt, dass der Klimawandel eine ideologisch begründete Erfindung der Linken zur Sabotage des „American Way of Life“ sei und auch in Deutschland finden Klimaskeptiker erhebliche Aufmerksamkeit.
Während es vielleicht noch verständlich ist, dass Politiker in China und Indien auf die Treibhausgasemissionen wenig Rücksicht nehmen (können), wenn sie Wachstum und Wohlstand für ein Drittel der Menschheit schaffen wollen, so ist es doch nur schwer verständlich, dass westliche Politiker und Unternehmen nur wenig dazu beitragen, ihnen dafür die umweltfreundlichsten und nachhaltigsten Techniken anzubieten, die verfügbar sind.
Stattdessen werden auch hierzulande Effizienzgewinne durch neue energiesparende Techniken umgehend fast vollständig durch sog. Rebound-Effekte aufgefressen. Realisierbare Energieeinsparungen werden umgehend durch Mehrverbräuche z.B. durch Leistungssteigerungen konterkariert.
Auch der selbsternannte Umwelt- und Radl-Primus München hinkt in vielen Bereichen seinen Energieeffizienz und Reduktionszielen hinterher. Insbesondere der Autoverkehr ist in München nach wie vor ein geradezu ideologisch besetztes und heftig umkämpftes Terrain.

Dabei werden sich die Zukunft der Menschheit und die Bewältigung des Klimawandels in den Städten entscheiden. Das 21.Jahrhundert gilt als das „Urban millenium“. Weltweit lebt mehr als die Hälfte der Menschen in Städten, bald werden es ¾ sein. Angesichts knapper werdender Ressourcen und steigender Umweltbelastungen müssen Veränderungsprozesse ganz wesentlich in den Städten gestaltet werden und zwar unter aktiver und ernst gemeinter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. „Eine Stadt ist nur in dem Maß belastbar, kreativ und Verletzbarkeiten beseitigend, in dem jeder Stadtteil für sich belastbar, kreativ und Verletzbarkeit beseitigend ist“ E.U.v. Weizsäcker). München hat mit seinen günstigen wirtschaftlichen, sozialen und geografischen Rahmenbedingungen hier beste Chancen und die Pflicht, eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Es geht um die Entwicklung einer Gesellschaft, die sich mehr über die Befriedigung von Bedürfnissen definiert, als über das Besitzen von Sachen; mehr über deren nachhaltige Nutzung als ihren schnellen Verbrauch.
Dies widerspricht in weiten Teilen der Wachstumsorientierung unseres kapitalistischen Wirtschaftsmodells und rüttelt an Tabus. Zumal Alternativen bislang kaum Gegenstand größerer öffentlicher Debatten, geschweige denn des Versuchs waren, Menschen von einem anderen, nachhaltigeren Lebensstil zu überzeugen:

These 1:
Angesichts des dramatischen Tempos der klimatischen Veränderungen vollziehen sich die politischen Anpassungsprozesse in aufreizender Langsamkeit.
These 2:
In der Klimapolitik fehlen offensichtlich der Wille oder die Fähigkeit, die gemeinsame globale Herausforderung wahrzunehmen.
Der Münchner Klimaherbst reflektiert von Anfang an globale Entwicklungen und Strategien in den Bereichen Klimawandel, Klimapolitik und Klimaschutz. Nach 26 Jahren (1988 1.Klimakonferenz in Toronto) globalem Ringen um verändertes politisches Handeln und Paris im Blick scheint es uns an der Zeit, wieder einige elementare Frage zu stellen:

  • Wie sieht die derzeitige Realität des Klimawandels aus: Bilanz ihrer Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von Menschen (aktuell: Zerstörung der Lebensgrundlage durch Unwetter, Fluchtbewegungen, lokale und regionale Konflikte), Zusammenhang zwischen Klimawandel und globaler Gerechtigkeit
  • Gäbe es ein besseres Klima ohne Kapitalismus? Funktioniert Wohlstand ohne Wachstum?
  • Können wir den Umfang des Klimawandels überhaupt noch steuern, lohnt es sich, dagegen zu kämpfen, oder schlägt nun „die Stunde der Ingenieure“?
  • Wie funktionieren Klimapolitik und -diplomatie auf unterschiedlichen Ebenen, funktionieren sie überhaupt?
  • Was können Städte und BürgerInnen zur Bewältigung des Klimawandels beitragen? Was kann in einer Stadt der Kompass für Entscheidungen sein, der allgemein akzeptiert wird? Wie könnte in einer Stadt wie München die „Alltagskultur der Nachhaltigkeit“ aussehen? Wie können wir Verantwortungsbewusstsein und Änderungswillen wecken?
  • Wie kann die nächste Generation in ein nachhaltiges Bewusstsein über Klimaschutz hineinwachsen? Welche kreativen Formen der Vermittlung gäbe es, die z.B. Freude an neuen Lebensstilen schafft?
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