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Den Engeln gleich

20. Oktober 2013, 11:0013:00

Musikalische Sonntagsmatinee
Machen Medien aus uns engelsgleiche Wesen? Die Glücksversprechen der Mediengesellschaft stimmen oft mit dem Bild überein, das sich Menschen seit jeher von der Sehnsuchtsfigur des Engels machten. Angefangen mit dem Telefon, vorerst endend mit der digitalen Welt des Cyberspace schweben wir in den Stand engelhafter Wesen, die den Gesetzen der Schwerkraft scheinbar nicht unterliegen und wie von Geisterhand Raum, Zeit und Materie überwinden. Technologie wird zum Vollender und Vollstrecker der Theologie.

 

Die Sehnsucht nach Befreiung von den Begrenzungen durch Raum und Zeit und dabei auch von den „Fesseln der Natur“ ist ein zentraler Impuls der Medienentwicklung: vom Brief, über das Telefon, Radio und Fernsehen bis in die neuen virtuellen Räume und Zeiten des Internets. Die Entwicklung der Medien lässt sich als zunehmende Spiritualisierung kommunikativer Zusammenhänge rekonstruieren. Eine Tendenz, Wirklichkeit gleichsam zu entmaterialisieren und Raum und Zeit als Koordinaten des Gegenständlichen wenn nicht zu überwinden, so doch wenigstens als etwas sinnlich Erfahrbares zu neutralisieren.

 

Die Medien verändern dabei unsere Mobilitätserfahrungen und -erwartungen auf eine höchst widersprüchliche und paradox anmutende Art und Weise: Wir überwinden mit medialer Hilfe räumliche Distanzen, ohne je unterwegs zu sein. Gebannt vor dem Bildschirm finden wir zu neuer Sesshaftigkeit zurück und können in der Welt, die sich „hinter“ dem Bildschirm auftut, um so weniger verharren. So reimt sich neuerdings Sesshaftigkeit auf Nomadentum. „Nur wenn wir konsequent aller Selbstbewegung entsagen,“ gleichsam zur Mediensäule erstarren, „kommen wir überall hin“(Bernd Guggenberger). Eine Form von Mobilität, die es bislang noch nicht gab.

 

Mit der spezifischen Form medialer Mobilität wandelt sich auch unser Konzept von Wirklichkeit und leibhaftiger Anwesenheit. Wohin ich auch beim „Surfen“ durch den Cyberspace komme: Ich bin dort zwar nicht „wirklich“, aber auch nicht mehr wie früher bloß in meiner Phantasie (dem einzigen Vehikel vormoderner Weltreisen). Das Virtuelle hat sich – scheinbar unter Umgehung des Materiellen – zwischen dem Wirklichen und dem Phantastischen angesiedelt. Ja, das Virtuelle ist geradezu phantastisch wirklich. Eine Wirklichkeit jedoch, die aus lauter „ontologischen Zweideutigkeiten“ (Günther Anders) besteht: Was ich im Raum des Virtuellen erlebe, ist gegenwärtig und doch abwesend; auch ich selbst bin halb an-, halb abwesend. Ich bewege mich in Lichtgeschwindigkeit durch den Raum – und bleibe dabei sitzen. Omnipräsent, ohne je wirklich präsent zu sein, oszilliere ich zwischen Allgegenwart und Ortlosigkeit, Nah und Fern zugleich. Sobald wir uns in den virtuellen, elektronischen Welten der neuen Medien aufhalten, unterliegen wir offenbar einer Art Ausnahmephysik, die sich in vielem von dem unterscheidet, was unser „Leben offline“ kennzeichnet. Die Gesetze der Schwerkraft und das trennende Auseinander von Raum und Zeit scheinen außer Kraft bzw. medial überwunden zu sein.

 

Der Vortrag wird diesen spezifischen Mobilitäts- und Leiberfahrungen nachgehen und zugleich in kultur- und religionsgeschichtlicher Perspektive aufzeigen, dass die mediale Ausnahmephysik, die wir im Mediengebrauch alltäglich und wie selbstverständlich erleben, Selbst- und Welterfahrungen ermöglicht, die bislang engelhaften Wesen vorbehalten war. Der Vortrag wird diese – auf den ersten Blick überraschenden und unvermuteten – Parallelen zwischen den Verheißungen des Mittelalters und dem postmodernen Evangelium des Digitalen aufzeigen. Im Zentrum dieses Vergleichs wird die scholastische Engellehre stehen, die von Thomas von Aquin in seiner „Summa Theologica“ auf das Niveau gehoben wurde, das für die Kirchen (insbesondere für die katholische) heute noch verbindlich ist.

 

Die Veranstaltung findet im Rahmen des 7. Münchner Klimaherbst statt, der sich dem Thema „Mobilität“ widmet. Medien spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle: Sie steuern und regeln physische Mobilität, sie sollen sie aber auch ersetzen. Beides hat Auswirkungen auf die Ressourcenintensität und Klimarelevanz unseres Lebens- und Wirtschaftsstils. Auch diese i.e.S. ökologischen Fragen wird der Vortrag behandeln und unter Bezugnahme auf jüngere Forschungsergebnisse aufzeigen, dass die vermeintliche „Schwerelosigkeit“ des Mediengebrauchs einen massiven ökologischen Fußabdruck hinterlässt.

 

Mitwirkende:
Dr. Manuel Schneider (Vortrag)
Peter Ludwig (Klavier)

 

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barrierefrei nach vorheriger Anmeldung

Details

Datum:
20. Oktober 2013
Zeit:
11:00–13:00
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